Das Schengener Informationssystem (SIS) ist das am weitesten verbreitete und größte System für den Informationsaustausch in den Bereichen Sicherheit und Grenzmanagement in Europa. In Europa gibt es zwischen Schengen-Ländern keine Binnengrenzen. Als Ausgleichsmaßnahme für Grenzkontrollen gibt es das SIS. Es ist das erfolgreichste Instrument der Zusammenarbeit zwischen Grenz-, Einwanderungs-, Polizei-, Zoll- und Justizbehörden in der EU und den assoziierten Schengen-Ländern.
Zuständige nationale Behörden wie Polizei und Grenzschutz können Ausschreibungen von Personen und Gegenständen in eine gemeinsame Datenbank eingeben und abfragen. Diese Personen und Gegenstände können bei Grenz-, Polizei- oder sonstigen rechtmäßigen Kontrollen in der ganzen EU und im gesamten Schengen-Raum ausfindig gemacht werden.
Seit 1995 hat dieses System dazu beigetragen, nach dem Wegfall der Binnengrenzkontrollen die Sicherheit Europas zu wahren.
2013 wurde das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) mit zusätzlichen Funktionen eingeführt. Nun können zum Beispiel Fingerabdrücke und Fotos zu Ausschreibungen hinzugefügt werden.
Seit 2018 hat sich der Rechtsrahmen für das SIS mit der Annahme von drei EU-Verordnungen, nämlich der Verordnung (EU) 2018/1860, der Verordnung (EU) 2018/1861 und der Verordnung (EU) 2018/1862, weiterentwickelt. Diese Verordnungen traten am 28. Dezember 2019 in Kraft und sind seit dem 7. März 2023 voll funktionsfähig. Mit diesen drei Verordnungen werden die SIS-Maßnahmen gestärkt, insbesondere durch die Einführung neuer Arten von Ausschreibungen, aktueller Daten und verbesserter Funktionen.
Funktionsweise
Wenn ein Land eine Ausschreibung in das SIS eingibt, ist diese in allen anderen Ländern, die das SIS nutzen, in Echtzeit verfügbar. Somit können zuständige Behörden in der gesamten EU die Ausschreibung finden.
Was den technischen Aspekt anbelangt, besteht das SIS aus den folgenden Komponenten:
- einem zentralen System
- nationalen SIS-Systemen in allen Ländern, die das SIS nutzen
- einem Netz zwischen den Systemen
Jedes Land, das das SIS nutzt, ist für die Einrichtung, den Betrieb und die Pflege seines nationalen Systems und der nationalen Strukturen zuständig. Die Europäische Kommission ist für die allgemeine Überwachung, die Bewertung des Systems und den Erlass von Durchführungsrechtsakten und delegierten Rechtsakten zur Funktionsweise des SIS und der SIRENE-Büros zuständig. Die Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht (eu-LISA) ist für das Betriebsmanagement des Zentralsystems und des Netzes zuständig.
Eine SIS-Ausschreibung enthält Informationen über bestimmte Personen oder Sachen sowie Anweisungen dazu, was die Behörden nach der Aufspürung der Person oder Sache zu tun haben.
Arten von Ausschreibungen im SIS
Das SIS enthält nur Ausschreibungen von Personen oder Gegenständen, die unter eine der folgenden Ausschreibungskategorien fallen:
- Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung: Ausschreibungen von Drittstaatsangehörigen, die nicht berechtigt sind, in den Schengen-Raum einzureisen oder sich dort aufzuhalten;
- Gesuchte Personen: Ausschreibungen von Personen, für die ein Europäischer Haftbefehl oder ein Auslieferungsersuchen (Schweiz und Liechtenstein) ausgestellt wurde;
- Vermisste Personen: Ausschreibungen, um vermisste Personen, einschließlich Kinder, zu finden und sie unter Schutz zu stellen, wenn dies rechtmäßig und notwendig ist;
- Personen, die im Hinblick auf ihre Teilnahme an einem Gerichtsverfahren gesucht werden: Ausschreibungen zur Ermittlung des Aufenthaltsorts oder des Wohnsitzes von Personen, die zur Unterstützung in Strafverfahren gesucht werden (z. B. Zeugen);
- Personen und Gegenstände zum Zwecke der verdeckten oder gezielten Kontrolle: Ausschreibungen zur Einholung von Informationen über Personen oder mit ihnen zusammenhängende Gegenstände zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche oder nationale Sicherheit;
- Gegenstände zur Sicherstellung oder als Beweismittel in Strafverfahren: Ausschreibungen von Gegenständen (z. B. Fahrzeuge, Reisedokumente, Kennzeichen und Industrieausrüstung), die zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden. Ausschreibungen von Reisedokumenten können auch speziell zur Verhinderung von Reisen der Person, die sich im Besitz der Reisedokumente befindet, vorgenommen werden;
- Rückkehrentscheidungen: Ausschreibungen von Drittstaatsangehörigen, die Gegenstand von Rückführungsentscheidungen der Schengen-Staaten sind;
- Kinder, bei denen ein Risiko besteht, dass sie von ihren eigenen Eltern, Verwandten oder Vormunden entführt werden: Mit den Ausschreibungen soll verhindert werden, dass diese Kinder entführt werden oder verschwinden;
- Schutzbedürftige Personen, deren Reise verhindert werden muss: Ausschreibungen, um schutzbedürftige Personen (Erwachsene oder Kinder) davor zu schützen, unrechtmäßig ins Ausland verbracht zu werden, oder sie daran zu hindern, ohne die erforderlichen Genehmigungen zu reisen;
- Personen- und Sachfahndungsausschreibungen für Ermittlungskontrollen: Zusatzausschreibungen zur Erlangung von Informationen über Personen oder damit zusammenhängende Gegenstände zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche oder innere Sicherheit;
- Unbekannte gesuchte Personen: Ausschreibungen, die nur Finger- und Handflächenabdrücke eines Täters enthalten. Die Abdrücke wurden an Tatorten terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten, wegen derer ermittelt wird, vorgefunden. Die Ausschreibungen werden zum Zwecke der Identifizierung des Täters nach nationalem Recht erstellt.
Im SIS verarbeitete Daten
Die Kategorien der im SIS gespeicherten Daten unterscheiden sich je nach Art der Ausschreibung.
Bei Personenausschreibungen:
- Daten zur Identitätsfeststellung: Daten, die zur Identifizierung der gesuchten Person erforderlich sind, und sonstige Informationen, die für den Endnutzer, der eine Suche durchführt, relevant sind;
- Grund für die Ausschreibung: Eine „Begründung für die Ausschreibung“, in der in strukturierter Weise dargelegt wird, warum die Person gesucht wird;
- Erforderliche Maßnahme: eine „zu ergreifende Maßnahme“. Hier wird in strukturierter Weise beschrieben, was der Beamte tun muss, wenn die Person aufgefunden wird;
- Informationen zum Strafverfahren: Kopie des Europäischen Haftbefehls (EuHb) für die Person, die verhaftet werden soll, und Daten über die Opfer des Identitätsmissbrauchs (falls zutreffend);
- Fotos: Fotos der ausgeschriebenen Person;
- Fingerabdrücke und Handflächenabdrücke: Daktyloskopische Daten (Fingerabdrücke und/oder Handflächenabdrücke) der ausgeschriebenen Person;
- Informationen über Gegenstände, die mit Personen zusammenhängen: Daten zu Gegenständen, die in das SIS eingegeben werden, um eine ausgeschriebene Person ausfindig zu machen, z. B. das von der gesuchten Person genutzte Fahrzeug – diesen Daten dürfen nur Ausschreibungen von Personen gemäß Artikel 26, 32 und 34 der SIS-Verordnung über polizeiliche Zusammenarbeit hinzugefügt werden;
- Identifizierungsdokumente: Angaben zur Beschreibung des Ausweisdokuments der ausgeschriebenen Person – eine Kopie des Dokuments kann beigefügt werden;
- Finger- und Handflächenabdrücke: Daktyloskopische Daten (Finger- und Handflächenabdrücke), die an Tatorten gefunden wurden;
- DNA-Profile: DNA-Profil der ausgeschriebenen Person oder von Familienangehörigen (nur bei vermissten Personen, die unter Schutz gestellt werden müssen).
Bei Sachfahndungsausschreibungen:
- Daten zur Identitätsfeststellung: Daten, die zur Identifizierung des gesuchten Gegenstands erforderlich sind, und sonstige Informationen, die für den Endnutzer, der eine Suche durchführt, relevant sind;
- Grund für die Ausschreibung: Eine „Begründung für die Ausschreibung“, in der in strukturierter Weise erläutert wird, warum der Gegenstand gesucht wird;
- Erforderliche Maßnahme: eine „zu ergreifende Maßnahme“. Hier wird in strukturierter Weise beschrieben, was der Beamte tun muss, wenn das Objekt gefunden wird;
- Bilder: Bilder/Fotos des Objekts.
Das Land, das die Ausschreibung und die damit verbundenen Daten in das SIS eingibt, ist der „Dateneigner“. Dies bedeutet, dass nur dieses Land berechtigt ist, die Ausschreibung zu aktualisieren und zu löschen.
Für Personenausschreibungen gilt folgender Mindestdatensatz:
- Name;
- Geburtsjahr;
- Einen Verweis auf die Entscheidung, die der Ausschreibung zugrunde liegt;
- Die zu ergreifende Maßnahme.
Soweit verfügbar, sollten Lichtbilder und Fingerabdrücke hinzugefügt werden, um die Identifizierung zu erleichtern und Irrtümer bei der Identifizierung zu vermeiden. Das System bietet auch die Möglichkeit, Verknüpfungen zwischen Ausschreibungen (z. B. zwischen einer Personenausschreibung und einer Fahrzeugausschreibung) hinzuzufügen.
In Bezug auf biometrische Daten:
Seit 2013 können im SIS Fingerabdrücke gespeichert werden. Diese konnten bislang zur Bestätigung der Identität einer Person verwendet werden, die auf andere Art und Weise gefunden wurde. Seit der Einführung eines automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystems (AFIS) im März 2018 können Personen jedoch auch nur anhand ihrer Fingerabdrücke identifiziert werden. Dank dieses Systems wird es für Kriminelle und andere Personen von Belang noch schwieriger, mit gefälschten Dokumenten oder mit Dokumenten von anderen Personen in die EU einzureisen und sich innerhalb der EU zu bewegen.
Seit März 2023 werden im SIS auch Handflächenabdrücke, Fingerabdruckspuren und Handflächenabdruckspuren gespeichert, die für die biometrische Suche und die Bestätigung der Identität verwendet werden. Seit März 2023 werden im SIS DNA-Profile von Personen, die als vermisst gemeldet wurden, oder von deren Eltern, Großeltern oder Geschwistern zum Zwecke der Identitätsbestätigung gespeichert.
Behörden mit Zugriff auf das SIS
Die Liste der zuständigen nationalen Behörden, die Zugang zum SIS haben, wird jährlich im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Für Luxemburg haben folgende Behörden direkten oder indirekten Zugriff auf das SIS:
- die Großherzogliche Polizei;
- das Finanzministerium — Zoll- und Verbrauchsteuerverwaltung;
- das Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten — Einwanderungsbehörde;
- das Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten — Amt für Reisepässe, Visa und Beglaubigungen;
- das Ministerium für Mobilität und öffentliche Arbeiten — Nationale Gesellschaft für Kfz-Verkehr;
- das Ministerium für Mobilität und öffentliche Arbeiten — Zivilluftfahrtbehörde;
- das Justizministerium — Abteilung für Waffen und Wachdienste;
- das Justizministerium — Staatsangehörigkeitsabteilung;
- das Wirtschaftsministerium — Kommissar für maritime Angelegenheiten;
- das Staatsministerium — Nachrichtendienst;
- Ministère public – Staatsanwaltschaft.
Diese Behörden dürfen nur auf die SIS-Daten zugreifen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.
Rolle der CNPD
Die nationalen Datenschutzbehörden, einschließlich der CNPD, überwachen die Anwendung der Datenschutzvorschriften in ihren jeweiligen Ländern, während der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) die Anwendung der Datenschutzvorschriften in dem von eu-LISA verwalteten Zentralsystem überwacht. Beide Ebenen arbeiten im Rahmen des Coordinated Supervision Committee (CSC) zusammen, um eine durchgehende koordinierte Überwachung zu gewährleisten.
Rechte der betroffenen Personen
Alle betroffenen Personen haben das Recht:
- Zugang zu den sie betreffenden Daten zu erhalten;
- Unrichtige Daten zu berichtigen;
- Unrechtmäßig im System gespeicherte Daten zu löschen.
Darüber hinaus hat jede Person, die im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben ist, das Recht, über diese Ausschreibung unterrichtet zu werden.
Die nationalen Verfahren und Kontaktstellen für Zugangsanträge wurden in einem umfassenden Leitfaden zusammengefasst. Dieser Leitfaden enthält auch Musterschreiben, die die betroffenen Personen ausfüllen können, um ihre jeweiligen Rechte auszuüben.
In Luxemburg können sich die betroffenen Personen zur Ausübung ihrer Rechte direkt an den Datenschutzbeauftragten der Großherzoglichen Polizei wenden, der dann einen Monat Zeit hat, um dem Ersuchen nachzukommen. Die Frist kann um zwei Monate verlängert werden, wenn dies aufgrund der Komplexität und der Anzahl der Anträge erforderlich ist.
Die CNPD fordert die betroffenen Personen auf, die SIS-Seite auf der Website der Großherzoglichen Polizei zu konsultieren, in der die erforderlichen Informationen aufgeführt sind.
Erhält die Großherzogliche Polizei innerhalb der genannten Frist keine Antwort oder ist die betroffene Person mit der Antwort nicht zufrieden, hat sie das Recht, bei der CNPD Beschwerde einzulegen.
Beschließt die Großherzogliche Polizei, die Rechte der betroffenen Person einzuschränken, so teilt sie dies der betroffenen Person so weit wie möglich mit und weist sie darauf hin, dass sie ihre Rechte über die CNPD ausüben kann.